The „Openstudio“ show, Berlin, 2019
Betreten wir Sophia Gundelachs Ausstellung, erwartet uns eine Überraschung: Nicht im obligatorischen White Cube präsentiert sie ihre Werke, sondern in der theatralischen Inszenierung ihres Ateliers, das sie in liebevoller Detailtreue hier wieder aufgebaut hat. Wir haben das Gefühl, am künstlerischen Schaffensprozess als Beobachter teilhaben zu dürfen – eine sehr private Situation.
Sophia Gundelach ist eine klassische Malerin. Ihre Motive sind Porträts und freie Kompositionen. Die Porträts entstehen in zeitintensiven Sitzungen im Atelier, ohne fotografische Zuhilfenahme. Nur so gelingt es ihr, die Dichte an Eindrücken zu fokussieren, die zum Erfassen der gesamten Persönlichkeit erforderlich ist. Ihre Porträts besitzen, ganz im Sinne Walter Benjamins, eine Aura.
Die freien figürlichen Kompositionen dagegen scheinen typenhaft der Phantasie der Künstlerin entsprungen zu sein. In der Darstellung leicht verfremdet, befinden sie sich in einem narrativen spannungsvollen Dialog. Hier stehen nicht die Gesetze der Mimesis im Vordergrund, sondern eine durch Motiv, Bildaufbau und Farbauftrag hervorgerufene Stimmung und Räumlichkeit.
Es ist ihr ein großes Anliegen, soviel Handarbeit wie möglich in ihre Arbeit fließen zu lassen: Sie bespannt die Rahmen, trägt eigenhändig die Grundierung aus Hasenleim, Kreide und Tempera auf, sie verwendet Malmittel aus Harzen und Ölen, malt hauptsächlich in Erdfarben und, ganz altmeisterlich, in Schichten. Malerei bedeutet für sie Handwerk.
Blickt man auf ihr Sujet, wird schnell offensichtlich, wo ihre Wurzeln liegen: Sophia Gundelach ist nicht nur Malerin, sie ist auch Modedesignerin und Bildhauerin. Dreidimensionale Formen, Figuren, Faltenwürfe und Gewänder sind körperliche Aspekte, die sie interessieren und die sie malerisch einzufangen sucht.
Auch inhaltlich verweisen einige Werke auf diese Herkunft: „Nylons“, „Korsage“ oder „Pin Up“ sind offensichtlich Motive aus dem Bereich der Mode, allerdings nicht der jetzigen, sondern der vergangener Epochen, die Sophia Gundelach gern zitiert.
Die Serie der „Barbies“ wiederum spielt durch ästhetisch-antiquierten Fetischismus mit traditionellen Rollenklischees. Die berühmte Plastikfigur mit sexualisierten überzüchteten Idealmaßen ist gekleidet in die Uniformen klassischer Dienstleisterinnen.
Ihre Retromotive variieren ein Frauenbild, das vergangen schien: Pin-up-Girls, Barbies, Hollywood-Diven, die sich stets unnahbar inszenierten – diese Referenzen tauchen bei Sophia Gundelach immer wieder auf. Sie zeigen ihr ästhetisches Interesse an der Rolle der Frau, die immer wieder einen prüfenden Blick auf sich wirft, einerseits ihre Objekthaftigkeit wahrnehmend, andererseits jedoch die selbstbewusste Haltung besitzend, Blicke auch zurückzuweisen.
Sophia Gundelach erzählt Geschichten, die von gesellschaftlichen und geschlechtlichen Rollenbildern und –spielen handeln. Kritische Reflexionen im Werk selbst, wie sie die zeitgenössische akademische Kunst oft für sich beansprucht, verweigert sie uns. Ihre typenhaften, nicht selten mit erotisch-historischen Artefakten versehenen Gestalten entlassen den Betrachter nicht durch aufgesetzte Selbstkritik aus seiner moralischen Spannung.
Sie steht damit in einer langen Tradition von bildenden und darstellenden Künstlern, die die substantiellen Gefühle Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht als Konstanten des menschlichen Seins und Miteinander begreifen und künstlerisch ausloten.
Text in Zusammenarbeit mit Katja Weeke, Kunsthistorikerin, Freiburg